Leiharbeit: Arbeit auf Zeit statt auf Lebenszeit
Die Älteren werden sich erinnern: Früher, in einer fernen Zeit, war es meist der Vater einer Familie, der das Geld nach Hause gebracht hat. Die Mutter hat entweder nur Kinder und Haushalt organisiert oder sich nebenbei etwas dazu verdient, auch wenn das nicht nötig war.
Man kann sich über dieses gesellschaftliche Bild vortrefflich streiten und muss es nicht gutheißen. Fakt ist aber, dass damals ein Vollzeitjob in der Regel ausreichte, um eine Familie zu ernähren.
Heute dagegen sind befristete Arbeitsverträge nicht selten, und die Zeitarbeit hat einen vermeintlichen Erfolgsweg angetreten. Zu Recht? Oder handelt es sich dabei eher um eine Fessel für Arbeitnehmer, wie Kritiker es immer wieder formulieren?
Inhalt:
Was ist Zeitarbeit?
Zunächst eines vorweg: Zeitarbeit hat keinen besonders guten Ruf, und das hat auch seine Berechtigung. Trotzdem wäre es kurzsichtig, würde man nun alles schlechtreden, es gibt auch Vorteile, auf die wir eingehen werden.
Die bedeutendste Kritik an der Zeitarbeit lautet, dass es sich dabei nicht um ein „echtes“ Arbeitsverhältnis handelt. Und bei genauerer Betrachtung ist da etwas dran. Wer als Zeitarbeiter etwa einen Kredit beantragt oder gar ein Haus bauen oder kaufen will, wird es schwer haben.
Nun aber zur Definition: Zeitarbeit wird auch als Leiharbeit bezeichnet, oder, um es ein wenig sperriger auszudrücken, als Arbeitnehmerüberlassung. Das Prinzip sieht so aus, dass ein Arbeitnehmer an ein Unternehmen verliehen wird. Er arbeitet also bei einer Firma, ist dort aber nicht angestellt.
Die Zeitarbeitsfirma wird auch „Verleiher“ genannt, die dagegen, die den Arbeitnehmer tatsächlich beschäftigt, nennt man „Entleiher“. Angestellt ist der Zeitarbeiter aber bei der Leiharbeitsfirma. Die Zusammenarbeit sieht nun so aus, dass der Leiharbeiter an Unternehmen ausgeliehen wird, wenn diese konkreten Bedarf haben.
Leider haben viele Unternehmen das ausgenutzt, sodass sie eben nicht nur bei Bedarf Arbeitskräfte anfordern, sondern diese länger beschäftigen. Da Leiharbeiter im Vergleich zu den fest Angestellten eines Unternehmens meist deutlich weniger verdienen, profitiert ein Unternehmen von dieser Art der Arbeit.
Zusammenfassung: Bei der Zeitarbeit (oder auch: Leiharbeit) werden Arbeitnehmer für eine gewisse Zeit an Unternehmen verliehen. Angestellt sind sie bei der Zeitarbeitsfirma.
Vorteile der Zeitarbeit
Es ist nur fair, wenn man die Zeitarbeit nicht grundsätzlich verteufelt, sondern auch ihre Vorteile aufzeigt. Die sind bei Arbeitnehmern natürlich anders gelagert als bei Arbeitgebern. Dennoch können unter bestimmten Voraussetzungen beide profitieren.
Vorteile für Arbeitnehmer
Vorteile sind in erster Linie für Arbeitssuchende auszumachen, die bereits seit längerer Zeit auf der Suche nach einer neuen Stelle sind. Oft ist es schwer, nach langer Zeit der Untätigkeit einen neuen Job zu finden. Unzählige Bewerbungen erhalten entweder Absagen oder werden gleich gekonnt von Arbeitgebern ignoriert.
Eine Zeitarbeitsfirma kann in solchen Momenten ein rettender Anker sein. Jede Menge Bewerbungen (und der damit verbundene Frust) fallen weg, um die genaue Aufgabenstellung kümmert sich die Leiharbeitsfirma.
Ein weiterer Vorteil für Arbeitnehmer: Die Anstellung in einer Zeitarbeitsfirma ist nicht befristet, man muss sich also keine Sorgen machen, dass man in einem halben Jahr auf der Straße sitzt (wobei dieser Umstand auch Nachteile hat, wie wir weiter unten erläutern werden).
Vorteile für Arbeitgeber
Keine Frage, für Unternehmen ist die Leiharbeit eine äußerst profitable Angelegenheit. Zum einen können Sie auf Arbeitskräfte zurückgreifen, wenn diese auch wirklich benötigt werden (in Spitzenzeiten, zu Weihnachten oder bei anderen Gelegenheiten). Zum anderen sind Zeitarbeiter für Unternehmen auch kostengünstiger. Fest angestellte Arbeitnehmer sind für Firmen meist deutlich teurer, als auf entliehene Arbeitskräfte zu setzen.
Zudem ersparen sich Arbeitgeber den bürokratischen Aufwand, wenn sie einen Angestellten nicht mehr brauchen. Kündigen müssen sie einem Zeitarbeiter ja nicht, da er gar nicht bei ihnen angestellt ist.
Nachteile für Arbeitnehmer
Ein kurzer Hinweis vorab: Die Überschrift „Nachteile für Arbeitgeber“ fehlt nicht etwa unbeabsichtigt, sondern ganz bewusst. Denn aus der Sicht von Arbeitgebern gibt es eigentlich keine Nachteile im Zusammenhang mit der Leiharbeit. Allenfalls die nicht sehr ausgeprägte Identifizierung des Arbeitnehmers könnte ein Argument sein. Aber dagegen kann jedes Unternehmen etwas tun, indem es Arbeitnehmer fest anstellt.
Hier nun also die Nachteile, die Angestellte von Zeitarbeitsfirmen in Kauf nehmen müssen:
Festanstellung bei der Zeitarbeit | Weiter oben haben wir darauf hingewiesen, dass die Verträge mit Leiharbeitsfirmen unbefristet sind. Das hat jedoch nicht ausschließlich Vorteile, denn der Arbeiter muss damit rechnen, zu einer Art „Job Hopping“ eingesetzt zu werden. Vielfach müssen Arbeitnehmer von Zeitarbeitsfirmen an unterschiedlichen Orten arbeiten, haben kaum Zeit, sich in einem Leih-Unternehmen einzugewöhnen und müssen auch bei den Arbeitszeiten sehr flexibel sein. |
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Die Vergütung | Festangestellte Arbeitnehmer verdienen mehr als Zeitarbeiter. Das ist zwar nicht in allen Ländern so, es gibt sogar die, die Zeitarbeitern mehr als den festangestellten Kollegen zahlen, weil sie die (berechtigte) Meinung vertreten, dass das Mehr an Flexibilität auch entsprechend besser vergütet werden muss. Hierzulande stehen Leiharbeiter aber finanziell eindeutig schlechter da. |
Statuswechsel zur Festanstellung | Alles in allem kann man hier nur von einem Trauerspiel sprechen. Zwar kommt es vor, dass ein Zeitarbeiter übernommen und bei der Firma, die ihn geliehen hat, festangestellt wird. Das ist jedoch die Ausnahme, und häufig werden zwar über längere Zeiträume Versprechungen gemacht, zur Umsetzung kommt es jedoch sehr selten. |
Planungssicherheit | Davon sind Leiharbeiter Lichtjahre entfernt. Häufig wissen sie nicht einmal, wo sie im kommenden Monat arbeiten, und auch die Arbeitszeiten sind (wie erwähnt) schwer zu planen. Private Pläne werden durch die Leiharbeit häufig durchkreuzt. |
Was verdienen Zeitarbeiter?
Auch beim Verdienst werden Zeitarbeiter anders behandelt als „normale“ Angestellte. Zwar gilt auch für sie ein Mindestlohn, doch der orientiert sich nicht am Mindestlohngesetz (MiLoG), sondern an den Verordnungen für eine Lohnuntergrenze gemäß § 3 des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes. Folgendes gilt es zu beachten:
- Grundsätzlich ist jede Verordnung einer Lohnuntergrenze befristet. Sie wird abgelöst, wenn die Lohnhöhen an die Veränderungen der Wirtschaft angepasst werden.
- Unterschieden wird zudem zwischen Ost und West. In den neuen Bundesländern verdienen Zeitarbeiter etwas weniger als in den alten (siehe dazu die Tabelle weiter unten).
- Vereinbarte Grenzen werden – sofern vorhanden – an gültige Tarifverträge gekoppelt.
Und so hat sich der Lohn von Zeitarbeitern in den letzten Jahren entwickelt:
Zeitraum | West | Ost |
04/2018 – 12/2018 | 9,49 Euro | 9,27 Euro |
01/2019 – 3/2019 | 9,49 Euro | 9,49 Euro |
04/2019 – 09/2019 | 9,79 Euro | 9,49 Euro |
10/2019 – 12/2019 | 9,96 Euro | 9,66 Euro |
Die Unterschiede der Bezahlung sollen übrigens bis zum 1. April 2021 endgültig behoben werden.
Zusammenfassung: Zeitarbeiter verdienen weniger als Festangestellte, der allgemeine Mindestlohn gilt für sie nicht. Stattdessen regelt sich die Bezahlung nach dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz.
Fazit
Wie man es auch dreht und wendet: Zeitarbeit hat für Unternehmen deutlich mehr Vorteile als für Arbeitnehmer. Zwar kann sie helfen, wenn bereits längere Arbeitslosigkeit vorliegt und die Chancen am Arbeitsmarkt eher dürftig sind. Doch eine vollwertige Alternative für eine Festanstellung ist die Zeitarbeit nicht.
Als die Leiharbeit in Deutschland eingeführt wurde, galt das Land als der „kranke Mann von Europa“. Abgesehen davon, dass es zahlreiche Wissenschaftler und Ökonomen gibt, die daran zweifeln, dass die Zeitarbeit diesen Titel vergessen ließ, kann man mit Recht fragen, ob das Modell der Leiharbeit heute noch angemessen oder notwendig ist.
Je nachdem, wen man fragt, wird man sehr unterschiedliche Antworten auf diese Frage erhalten.