Der Streik: Rechte und Pflichten für Arbeitnehmer

Streiks haben eine lange Geschichte. Der erste große fand bereits im Jahr 1873 statt. Vier lange Monate lang kämpften damals die Drucker für bessere Arbeitsbedingungen. Und sie sollten erfolgreich sein. Es war der 8. Mai 1873, als der erste Flächentarifvertrag durch einen Streik durchgesetzt wurde. Von nun an galten ein Mindestlohn, Überstundenzuschläge, eine 14-tägige Kündigungsfrist und die Begrenzung der Arbeitszeit auf 10 Stunden pro Tag.

Doch welche Bedeutung haben Streiks heute?

Inhalt:

Wann ist ein Streik zulässig?

Wenngleich das Streikrecht die Möglichkeit einräumt, die Arbeit niederzulegen, um Forderungen von Arbeitnehmern durchzusetzen, gibt es Regeln, die zu beachten sind, damit es sich nicht um einen verbotenen Streik handelt.

Das Bundesarbeitsgericht hat eine klare Meinung zu Streiks. Es vertritt die Auffassung, dass Tarifverhandlungen ohne Streikrecht nicht mehr als „kollektives Betteln“ seien. Das bedeutet allerdings nicht, das unzufriedene Arbeitnehmer einfach so die Arbeit niederlegen können. Denn das wäre kein Streik, sondern Arbeitsverweigerung, und die wird mit Abmahnungen oder Kündigung bestraft.

Ein Streik muss also gut organisiert und begründet sein. Folgende Voraussetzungen müssen dabei erfüllt werden:

  • Ohne eine Gewerkschaft geht nichts. Nur sie kann einen Streik ausrufen. Arbeitsniederlegungen ohne gewerkschaftliche Unterstützung werden als „wilde“ Streiks bezeichnet und sind somit unzulässig.
  • Ziel des Streiks muss die Möglichkeit einer tariflichen Realisierung sein. Es geht also um bessere Arbeitsbedingungen. Streiks, die Druck auf ein politisches Organ ausüben sollen oder politischen Zielen dienen, sind nicht zulässig.
  • Die Forderungen im Zuge des Streiks müssen rechtlich umsetzbar sein. Wenn es also gesetzliche Regelungen gibt, die den Forderungen von vornherein widersprechen, gilt beides als unvereinbar, der Streik ist unzulässig.
  • Bevor gestreikt werden kann, gilt die Friedenspflicht. Diesen Zeitraum legen die Tarifparteien fest. Solange diese Friedenspflicht Bestand hat, darf nicht gestreikt werden.
  • Ziel von Tarifverhandlungen ist die Einigung beider Parteien. Es müssen zunächst Verhandlungen geführt werden, bevor gestreikt wird. Hier gilt das Ultima-Ratio-Prinzip, also die Ansicht, dass der Streik nur das letzte Mittel sein kann.
  • Ein Streik muss immer der Verhältnismäßigkeit entsprechen. Wenn im Zuge des Streiks etwa ein großer wirtschaftlicher Schaden für das bestreikte Unternehmen besteht, gilt der Streik als unverhältnismäßig. Dies kann der Fall sein, wenn durch die Arbeitsniederlegung das Unternehmen Gefahr läuft, Insolvenz anmelden zu müssen.

Insbesondere der letzte Punkt wird in der jüngeren Geschichte von Streiks oft zum Zankapfel. Natürlich hat kein Arbeitnehmer ein Interesse daran, das Unternehmen, in dem er beschäftigt ist, durch seinen Streik in die Insolvenz zu treiben, er selbst hätte ja nichts davon.

Trotzdem gibt es immer wieder Situationen, in denen die Arbeitgeber argumentieren, die wirtschaftliche Lage sei zu schlecht, um etwa höhere Gehälter zu zahlen. In der Corona-Krise zum Beispiel wurden zwar Pflegekräfte und andere Mitarbeiter in sozialen Berufen öffentlich mit Applaus bedacht, weil ihre Arbeit so wichtig sei. Die Möglichkeit von Gehaltserhöhungen sahen die Arbeitgeber aber nicht, da die wirtschaftliche Lage zu schwierig sei.

Folgen des Streiks für Arbeitnehmer

Sofern der Streik nicht unzulässig ist, haben Arbeitnehmer zwar keine Abmahnung oder Kündigung zu befürchten (und wenn doch, lässt sich dagegen mit der Hilfe eines Rechtsanwalts angehen). Folgenlos bleibt ein Streik aber dennoch nicht.

Denn während des Streiks bekommt der Arbeitnehmer keinen Lohn bzw. kein Gehalt. Das gilt auch für Urlaubsgeld, Feiertagszuschläge und für die Lohnfortzahlung im Falle einer Krankheit. Im letzteren Fall sollten sich Arbeitgeber bei einer Krankheit unverzüglich an ihre Krankenkasse wenden, damit die Möglichkeit der Auszahlung von Krankengeld über diesen Weg besteht.

Gewerkschaftsmitglieder allerdings haben ein Anrecht auf Streikunterstützung, auch Streikgeld genannt. Deren Höhe bemisst sich am Bruttogehalt des betroffenen Arbeitnehmers, das durch die Anzahl der Tage des Monats geteilt und dann mit den Streiktagen multipliziert wird. Der Arbeitnehmer muss also während des Streiks auf Geld verzichten. Und wer kein Mitglied der Gewerkschaft ist, hat auch keinen Anspruch auf Streikgeld.

Weitere Bereiche, die von einem Streik betroffen sind:

  • Sozialversicherungsbeiträge: Diese werden für die Dauer der Arbeitsniederlegung nicht an die gesetzliche Rentenversicherung weitergeleitet.
  • Auch an die Arbeitslosenversicherung werden keine Beiträge abgeführt.
  • Für den Fall, das vom Streik betroffene Arbeitnehmer sich arbeitslos melden wollen, muss klargestellt werden, dass sie in dieser Zeit keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld haben.
  • Urlaub während eines Streiks kann nur genommen werden, wenn dieser bereits vorher beantragt oder in der Phase des Streiks begonnen wurde.
  • Sollte eine Altersteilzeit und/oder Betriebsrente vereinbart worden sein, verlängert sich die Arbeitsphase um die Hälfte der durchgeführten Streiktage. Mögliche Ansprüche auf eine Betriebsrente verringern sich durch die Dauer des Streiks entsprechend.
  • Die Unfallversicherung, die über die Berufsgenossenschaft sonst besteht, fällt für die Dauer des Streiks weg. Wegeunfälle zwischen Arbeitsstätte und Wohnort sind daher nicht versichert.

Man sieht, ein Streik ist kein „Spaziergang“ für Arbeitnehmer. Lediglich der Mitgliedsbeitrag in der gesetzlichen Pflege- und Krankenversicherung bleibt uneingeschränkt bestehen.

Möglichkeiten des Arbeitgebers zu Gegenmaßnahmen

Zunächst muss man wissen, dass die Arbeitgeberseite entweder aus einzelnen Unternehmen oder aus Arbeitgeberverbänden besteht (im Falle des oben genannten Corona-Beispiels und die Pflegekräfte handelt es sich um einen Arbeitgeberverband).

Sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitgeberverbände haben unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit der „Aussperrung“. Diese betrifft dann Streikende nur indirekt, da arbeitswillige Arbeitnehmer durch den Arbeitgeber daran gehindert werden, ihre Arbeit fortzuführen bzw. aufzunehmen. Damit wollen Arbeitgeber die Streikenden und die Gewerkschaften unter Druck setzen und die Dauer des Streiks verkürzen (was nicht selten auch gelingt, da die nicht streikenden Arbeitnehmer unfreiwillig in den Arbeitskampf einbezogen werden).

Da der Streik und die Aussperrung gleichermaßen als Maßnahmen eines Arbeitskampfes angesehen werden, gelten für beide die gleichen Rechtmäßigkeitsbedingungen.

Fragen zum Streikrecht

Arbeitgeber sind naturgemäß nur selten auskunftsfreudig gegenüber ihren Angestellten, wenn diese streiken wollen. Daher seien hier einige häufig vorkommenden Fragen beantwortet:

  1. Muss ich als Arbeitnehmer selbst prüfen, ob ein Streik rechtmäßig ist oder nicht?
    Nein, das hat zuvor bereits die Gewerkschaft übernommen. Jeder Arbeitnehmer kann aufgrund der sogenannten „Vermutung auf Rechtmäßigkeit“ davon ausgehen, dass die Gewerkschaft die Rahmenbedingungen genau geprüft hat.

  2. Muss ich, bevor ich am Streik teilnehmen kann, meinem Arbeitgeber Bescheid sagen und ausstempeln?
    Nein, weder noch. Der Arbeitgeber muss nicht zuvor informiert werden. Zudem hat das Bundesarbeitsgericht im Jahr 2005 festgestellt, dass das Ausstempeln mit dem Streik im Widerspruch steht. Ein Streik während der Freizeit (was die Zeit nach dem Ausstempeln ja ist) verfehlt seinen eigentlichen Sinn der Arbeitsniederlegung.

  3. Muss ich mich bei einem Streik für Notdienste zur Verfügung stellen?
    Da bei einem Streik gilt, dass niemand zu Schaden kommen darf, müssen Notdienste abgedeckt sein. Wenn also ein Arbeitnehmer für eine Notdienstschicht vorgesehen ist, muss er – trotz Streiks – zu dieser auch erscheinen.

  4. Besteht Anspruch auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, wenn ich mich an dem Streik gar nicht beteilige?
    Für Arbeitnehmer, die sich nicht am Streik beteiligen, bleibt in der Regel der Anspruch auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall erhalten. Es gibt jedoch Ausnahmen. Wenn ein Arbeitnehmer sich nicht am Streik beteiligt, für ihn aufgrund dieses Streiks aber auch keine Möglichkeit der Betätigung innerhalb seines Jobs besteht, fällt er aus dem Entgeltfortzahlungsgesetz heraus. Kann zum Beispiel ein U-Bahn-Fahrer wegen des Streiks seine Tätigkeit nicht ausüben, hat er im Krankheitsfalle kein Recht auf Lohnfortzahlung.

  5. Dürfen nur Vollzeitangestellte streiken?
    Nein, streiken dürfen nahezu alle Beschäftigten, inklusive Minijobber, Teilzeitangestellte, Auszubildende und Praktikanten. Im Falle von Praktikanten und Auszubildenden schließen Gewerkschaften diese aber zuweilen selbst vom Streik aus, weil es bei ihnen nicht um die übergreifenden Arbeitsbedingungen geht, sondern um das Ausbildungsverhältnis und deren Inhalte.

  6. Dürfen Leiharbeiter auch streiken?
    Auch Leiharbeiter dürfen streiken. Der Effekt verpufft jedoch, wenn etwa der Verleiher den Leiharbeiter für die Dauer des Streiks an einen anderen Arbeitsplatz einer anderen Firma versetzt. Andererseits darf aber der Arbeitgeber, um die Auswirkungen des Streiks abzufedern, nicht einfach Leiharbeiter einstellen, die dann die Arbeit der Streikenden erledigen. Eine solche Einstellung ist lediglich dann zulässig, wenn der Leiharbeiter nicht die Tätigkeiten der Streikenden übernimmt.

Streiken in der Praxis

Zwar deckt das Streikrecht viele Bereiche ab und formuliert oft klar, was erlaubt ist und was nicht. Zu Konflikten und gerichtlichen Auseinandersetzungen kommt es aber immer wieder. Zu groß ist die Bandbreite an Fragen, die (noch) ungeklärt sind.
Für Arbeitnehmer kann es – je nach Einzelfall – sinnvoll und aussichtsreich sein, gegen Entscheidungen oder Maßnahmen des Arbeitgebers gerichtlich anzugehen. Helfen kann hier unter Umständen die zuständige Gewerkschaft. Oder ein Rechtsanwalt, der sich auf das Thema Arbeitsrecht spezialisiert hat.