Überstunden: Was muss, was darf, was gar nicht geht

Im Prinzip weiß jeder, was Überstunden sind. Es handelt sich um Arbeitszeit, die über die eigentlich vereinbarte hinausgeht. Doch muss man sich mit Überstunden einverstanden erklären? Kann man sie sich auszahlen lassen oder muss man auch mit dem Freizeitausgleich leben? Und was passiert, wenn man sich weigert, mehr zu arbeiten? Weil die Freizeit einfach wichtig ist und zur Regeneration dazu gehört?

Tauchen wir ein wenig tiefer in das Thema ein.

Inhalt:

Überstunden: Eine kurze Definition

Als Überstunden bezeichnet man Arbeitszeiten, die über die im Arbeits- oder Tarifvertrag bzw. einer Betriebsvereinbarung vereinbarten Zeiten hinausgehen.

Weniger sperrig ausgedrückt: Wenn Sie einen Arbeitsvertrag über 38,5 Stunden haben, ist jede Stunde, die Sie darüber hinaus leisten, eine Überstunde.

Muss ich Überstunden machen?

Wie so oft ist die eindeutige Antwort auf diese Frage: Kommt drauf an. Wenn im Arbeits- oder Tarifvertrag oder in einer Betriebsvereinbarung formuliert wurde, dass Überstunden angeordnet werden können, sind diese legitim.

Nun könnte man meinen, dass Überstunden grundsätzlich nicht erlaubt sind, wenn eine solche Vereinbarung fehlt. Doch ganz so einfach ist es nicht.

Denn es gibt Situationen, da kann auch dann Mehrarbeit angesetzt werden, wenn es keine schriftliche Verabredung bzw. Vorgabe gibt. Wenn beispielsweise Mitarbeiter krank werden und Aufträge deshalb nicht fristgerecht erledigt werden können, besteht die Möglichkeit des Arbeitgebers, Überstunden anzuordnen. Allerdings muss diese Situation entstehen, ohne dass sich der Chef darauf einstellen konnte, sie muss also überraschend kommen.

Überstunden nach Lust und Laune?

Wenn Überstunden entweder gemäß Vertrag oder Sondersituation angeordnet werden können, liegt die Frage nahe, in welchem Umfang das geschehen darf. Schließlich muss es doch eine Obergrenze geben, um Missbrauch zu verhindern. Und dem ist auch so.

Im Arbeitszeitgesetz ist festgeschrieben, wie die Überstundenregelung aussehen darf und wie nicht:

  • An Werktagen dürfen Arbeitnehmer nicht mehr als 8 Stunden pro Tag Dennoch darf eine Ausdehnung auf 10 Stunden pro Tag stattfinden, aber nur, wenn im Laufe der darauffolgenden 6 Monate ein Freizeitausgleich erfolgt.
  • Zu den Werktagen zählt auch der Samstag.
  • Sonn- und Feiertage sind von der Regelung ausgeschlossen.

Naturgemäß gibt es für Angehörige bestimmter Branchen hinsichtlich der Sonntags- und Feiertagsregelung Ausnahmen. Das liegt nahe, denn Polizei, Feuerwehr, Krankenhäuser und andere Einrichtungen müssen jeden Tag und oft auch nachts erreichbar sein.

Unwirksame Vereinbarungen zu Überstunden

Zwar haben wir festgestellt, dass Überstunden via Arbeitsvertrag angeordnet werden können. Doch nicht jede Klausel ist auch wirksam. Arbeitgeber versuchen aber immer wieder, durch „schwammige“ Formulierungen Überstunden zu rechtfertigen, die nicht korrekt sind.

Ein „Klassiker“ solch unwirksamer Formulierungen lautet so:

„Die Überstunden sind mit der vereinbarten Vergütung abgegolten.“

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hatte etwas gegen diese Formulierung, und das natürlich völlig zu Recht. Immerhin öffnet eine solche Vereinbarung Arbeitgebern Tür und Tor, um Arbeitnehmer Überstunden machen zu lassen, ohne dafür zu zahlen oder dies mit Freizeitausgleich abzugelten. Das BAG sieht in der pauschalen Aussage, Mehrarbeit sei durch den Lohn oder das Gehalt abgegolten, eine Verletzung des Transparenzgebots.

Grundsätzlich unwirksam sind Überstunden bei werdenden und stillenden Müttern und bei Jugendlichen, weil diese Personenkreise als besonders schutzwürdig gelten. Im Falle von Jugendlichen muss, sollte es zu Mehrarbeit gekommen sein, die Arbeitszeit entsprechend der geleisteten Überstunden reduziert werden.

Freizeitausgleich oder Bezahlung: Wie ist die gesetzliche Regelung?

Eine eindeutige gesetzliche Regelung gibt es in Sachen Überstunden nicht. Dementsprechend ist auch die Frage nach Freizeitausgleich oder Bezahlung nicht eindeutig geregelt. Wohl auch deshalb wählen viele Arbeitgeber die Variante des Freizeitausgleichs. Doch nicht immer ist das rechtens.

Der Gesetzgeber sagt, dass eine Vergütung von Überstunden angenommen wird, wenn eine Dienstleistung nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist. Das klingt allerdings tatsächlich eher diffus und führt nur selten zur Ausbezahlung von Überstunden.

Auch die Höhe der Vergütung ist nur teilweise klar formuliert. Beim Bestehen einer Taxe wird von der taxmäßigen Vergütung oder der „üblichen Vergütung“ ausgegangen. Bei Besserverdienenden dagegen greift die Beitragsbemessungsgrundlage. Angestellte, die über dieser Grenze verdienen, können einen pauschalen Anspruch auf bezahlte Überstunden nicht geltend machen.

Übrigens, fürs Protokoll sozusagen: Überstunden und Mehrarbeit sind genau genommen nicht gleichbedeutend. Überstunden macht, wer seine individuelle Arbeitszeit überschreitet, von Mehrarbeit ist die Rede, wenn die tariflich geregelte Arbeitszeit überschritten wird. Wir wollen das aber hier und heute nicht so eng sehen, auch wenn die Unterscheidung bedeutsam ist.

Fragen aus der Praxis

Verlassen wir an dieser Stelle die graue Theorie und widmen uns ein paar ganz praktischen Fragen. Denn sie sind es, die die meisten Arbeitnehmer interessieren.

Man muss allerdings schon im Vorfeld der nun kommenden Fragen darauf hinweisen, dass es auch hier Theorie und Praxis gibt. Denn nicht alles, was der Arbeitnehmer nicht verpflichtet ist zu tun, wird er auch „durchpeitschen“ können. Dazu ist die Hierarchie zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer in aller Regel dann doch zu deutlich ausgeprägt, der Chef sitzt meist am längeren Hebel.

Mehrarbeit versus Kinotickets: Was geht vor?

Freitagabend soll‘s losgehen. Der neuste Kinofilm läuft an, die Karten sind besorgt, hinterher plant man mit Freunden ein gutes Essen. Und dann kommt der Chef dazwischen und verlangt nach Überstunden.

Darf er das?

Eigentlich nicht. Arbeitnehmer schulden ihrem Arbeitgeber lediglich die im Vertrag vereinbarte Arbeitszeit. Ausnahmen sind Notfälle. Zu solchen gehört jedoch keine schlechte Planung des Chefs, es muss schon etwas mehr sein.

Der Arbeitsvertrag kann allerdings zahlreiche zusätzliche Klauseln enthalten, die Überstunden mit einbeziehen. Ob diese wirksam sind oder nicht, ist im Einzelfall zu prüfen. Weiter oben haben wir darüber geschrieben, dass Formulierungen, die grundsätzlich Überstunden als durch den Vertrag abgegolten beschreiben, nicht wirksam sind. Bei anderen Vereinbarungen kann das schwieriger werden mit der Beurteilung.
Wenn es einen Betriebsrat gibt (was jedoch zunehmend seltener wird), sollte dieser befragt werden. Im Zweifel muss ein Rechtsanwalt konsultiert werden. Ob das für den abendlichen Kinobesuch noch reicht, darf allerdings bezweifelt werden.

Regelmäßige Mehrarbeit: Muss sie bezahlt werden?

Das kommt (einmal mehr) drauf an. Viele Arbeitnehmer arbeiten von sich aus regelmäßig länger als vorgesehen. Sie erkennen die Notwendigkeit und denken nicht drüber nach, sondern legen einfach los. Das ist löblich, führt aber nicht zum Anspruch auf Bezahlung.

Denn Arbeitgeber müssen Überstunden nur bezahlen, wenn sie auch von ihnen wissen, und das ist durchaus nachvollziehbar. Wenn ein Arbeitnehmer freiwillig und durch seine Entscheidung mehr arbeitet als er muss, braucht der Arbeitgeber dies nicht zu entlohnen.

Zählen Dienstreisen als Überstunden?

Nicht automatisch. Das hängt immer davon ab, wie der Arbeitsvertrag, der Tarifvertrag oder die Betriebsvereinbarung das regelt. Unterschieden wird allerdings zwischen der Tätigkeit auf der Dienstreise und der Fahrt dorthin. Zwar zählen Fahrtzeiten zur Arbeitszeit, sie können aber mit einem anderen Stundensatz vergütet werden.

Immer wieder versuchen Arbeitgeber, Dienstreisen pauschal mit dem Arbeitsvertrag abzugelten. Das ist – genau wie bei Überstunden, die als pauschal angesetzt werden – unzulässig.

Überstunden bis 22.00 Uhr – und dann um 07.00 Uhr zur Frühschicht?

Ganz realistisch betrachtet kommt das natürlich immer wieder vor. Aber rechtens ist es nicht. Der Gesetzgeber schreibt zwischen dem Ende der letzten und dem Beginn der neuen Schicht bzw. Arbeitszeit eine Ruhephase von 11 Stunden vor.

Und wie kommt man zu seinem Recht?

Im Arbeitsrecht gilt generell, dass es nicht immer leicht ist, seine Rechte auch durchsetzen zu können. Wie erwähnt, ist das Verhältnis zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber ein hierarchisch aufgebautes.

Im Zweifel kann der Arbeitgeber Druck ausüben, um seine Interessen durchzusetzen, der Arbeitnehmer ist hier in einer weniger komfortablen Situation (zumindest ist das eher selten der Fall).

Trotzdem: Jeder sollte persönliche Grenzen haben, und wenn diese überschritten sind, ist es sinnvoll, auf seine Rechte zu bestehen. Und wenn es gar nicht anders geht, eben mit der Hilfe eines Rechtsanwalts.