Kündigung ohne Abmahnung: Ist das möglich?

„Es muss eine Methode existieren, Mitarbeiter zu kündigen ohne Abmahnungen.“ Dieser Satz geistert Arbeitgebern immer mal wieder durch den Kopf, wenn sie Arbeitnehmer loswerden wollen. Die Gründe für diese drastische Idee sind vielfältig. Aber es läuft immer darauf hinaus, dass das Vertrauensverhältnis nachhaltig gestört und aus der Sicht des Arbeitgebers nicht mehr zu retten ist.

Doch ist eine Kündigung ohne Abmahnung tatsächlich möglich?

Voraussetzungen für eine Kündigung ohne Abmahnung

Eines vorweg: Einem Arbeitnehmer zu kündigen, ohne zuvor das Instrument der Abmahnung einzusetzen, ist ein sehr schwieriges Unterfangen. Der Gesetzgeber – und auch die Gerichte – entscheiden hier in den meisten Fällen für den Arbeitnehmer.

Der Grund ist denkbar einfach: Kündigt ein Arbeitgeber einem Arbeitnehmer, greift er damit massiv in die Gestaltung von dessen Lebensgestaltung und Lebensplanung ein. Anders ausgedrückt: Er stellt sein ganzes Leben auf schmerzliche Weise auf den Kopf. Daher hat der Gesetzgeber sich festgelegt, eine Kündigung muss immer auf der Grundlage der Rücksicht gegenüber dem Arbeitnehmer erfolgen.

Vorgesehen sind daher – zunächst einmal unabhängig von der Frage der Abmahnung – zwei wesentliche Begründungen für eine Kündigung:

  1. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit: Zwar hat der Arbeitgeber das Recht, betriebliche Beeinträchtigungen zu beseitigen, doch das Mittel muss der Verhältnismäßigkeit (Ultima Ratio) entsprechen. Und damit kommt die Abmahnung ins Spiel, die ausdrücklich vorgesehen ist, bevor es zu einer Kündigung kommen kann. Der Arbeitgeber muss also zunächst versuchen, die Bewahrung des Arbeitsverhältnisses sicherzustellen. Gelingt dies nicht, kann er eine Abmahnung schreiben.
  2. Der Grundsatz der Zukunftsbezogenheit: Eine Prognose über die Zukunft ist immer schwierig, zumal der Blick in die Glaskugel im Zweifel vor Gericht nicht zugelassen wird. Dennoch muss der Arbeitgeber bei einem Versuch, einem Arbeitnehmer zu kündigen, genau diesen Blick wagen. Er muss also von einer Gefahr für die Zukunft ausgehen und unterstellen, dass das Fehlverhalten des Arbeitnehmers auch künftig nicht aufhören wird. Das allein ist schon schwer genug, denn wie soll die Beweisführung hier aussehen? Zudem: Die Zukunftsprognose ist ohnehin nur zulässig, wenn zuvor eine Abmahnung geschrieben wurde.

Auch vermeintlich gute Gründe für eine Kündigung ohne Abmahnung greifen oft nicht.

Nun könnte man meinen, dass es ein Fehlverhalten gibt, das so gravierend ist, dass eine Abmahnung tatsächlich ausbleiben darf. Etwa bei Diebstahl. Doch so einfach ist auch diese Sache nicht. Doch bevor Sie sich darüber jetzt empören, machen Sie sich bitte folgenden Fall bewusst:

Kennen Sie die „Emmely-Entscheidung“? Diese Entscheidung wurde nach einer Kassiererin mit diesem Namen benannt. Die hatte 15 Jahre lang ohne Beschwerden über sie in einem Supermarkt gearbeitet. Als sie dann aber zwei Leergut-Bons, die ihr nicht gehörten, im Wert von 1,30 Euro eingelöst hatte, sollte ihr fristlos gekündigt werden, und ohne Abmahnung. Doch das Bundesarbeitsgericht sah diesen Fall anders, die fristlose Kündigung war unwirksam.

Es war in der Hauptsache der so geringe Betrag, um den es hier ging, der das Gericht zu seiner Entscheidung bewog. Berücksichtigt man außerdem, dass Kassiererinnen ausgesprochen wenig verdienen, wird das Urteil noch nachvollziehbarer.

Deutlich kontroverser könnte man den Fall eines Mannes diskutieren, der einer Reinigungskraft an den Busen fasste. Hier sah das Gericht ebenfalls keinen Grund für eine fristlose Kündigung ohne Abmahnung, vielmehr hätte, so das Gericht, eine solche Abmahnung ausgereicht.

Die Begründung des Gerichts lässt sich durchaus aus unterschiedlichen Perspektiven betrachten. Denn laut Gericht sei bei dem Mann „kein Belästigungswille“ erkennbar gewesen. Sein Fehler sei nur der gewesen, dass er sich nicht darüber bewusst gewesen sei, dass sein Verhalten unerwünscht sei.

Wir sehen: Eine verhaltensbedingte Kündigung ohne Abmahnung ist nur schwer durchzusetzen. Man könnte zwar jetzt Fälle konstruieren, in denen der Arbeitgeber dennoch eine Chance hat, einen Arbeitnehmer ohne Abmahnung zu kündigen. Zum Beispiel, wenn der Arbeitnehmer einen Urlaubswunsch einreicht, dieser abgelehnt wird und er sich trotzdem auf in die Ferien macht. Das klingt zumindest oberflächlich nach einem klaren Grund für eine sofortige Kündigung ohne Abmahnung. Ganz ehrlich muss man aber sagen: Eine Kündigung ohne Abmahnung ist aus verhaltensbedingten Gründen aus der Sicht des Arbeitgebers immer dünnes Eis.

Also ist eine Kündigung ohne Abmahnung niemals möglich?

Was wären Regeln, gäbe es nicht die Ausnahmen, die sie bestätigen? Schauen wir uns also die insgesamt eher übersichtlichen Ausnahmen an:

  • Das erste halbe Jahr: Während des ersten halben Jahres kann ein Arbeitgeber eine Kündigung auch ohne vorherige Abmahnung aussprechen. Denn in diesem Zeitraum greift das Kündigungsschutzgesetz noch nicht. Man kann das auch so interpretieren: Wenn schon während der ersten sechs Monate kein Vertrauensverhältnis entstehen kann, wird daraus auch später nichts mehr.
  • Kleinbetriebe: Für Kleinbetriebe gilt das Kündigungsschutzgesetz ebenfalls nicht, sofern regelmäßig nicht mehr als 10 Mitarbeiter dort beschäftigt sind. Somit entfällt auch die Notwendigkeit einer Abmahnung im Falle der Kündigung.
  • Personenbedingte oder betriebsbedingte Kündigung: Es liegt nahe, dass etwa bei einer Betriebsschließung für die daraus resultierende Kündigung keine Abmahnung erforderlich ist. Das gilt übrigens auch dann, wenn einem Mitarbeiter wegen andauernder Krankheit gekündigt wird. In diesem Fall kann es naturgemäß nicht zu einer verhaltensbedingten Kündigung kommen, weder mit noch ohne Abmahnung.

Als grenzwertig kann man, wie gesagt, eine Kündigung ohne Abmahnung betrachten, wenn auf Seiten des Arbeitnehmers eine Straftat vorliegt. Wie beschrieben, ist aber auch dieser Fall nicht automatisch mit einer wirksamen Kündigung verbunden.

Fazit

Sieht man einmal von den genannten Fällen ab, die eine Kündigung ohne Abmahnung zulassen, ist es für Arbeitgeber immer ein Risiko, diese Maßnahme zu wählen. Wie wir gesehen haben, sind selbst Arbeitnehmer-Straftaten nicht zwingend dazu geeignet, sich eines unerwünschten Mitarbeiters auf dem kürzesten Weg zu entledigen.

Andererseits muss aber auch klar sein, dass, wenn erst einmal eine Abmahnung geschrieben wurde, das Vertrauensverhältnis erste Risse bekommt, die zu reparieren nicht einfach ist und nicht immer gelingt.

Sowohl für die fristlose Kündigung als auch für den Versuch, eine Kündigung ohne Abmahnung durchzusetzen, gilt zudem, dass es zahlreiche Hürden gibt, die oft nicht überwunden werden können.