Die bange Frage: Sind rückwirkende Kündigungen im Arbeitsrecht möglich?

Aus der Sicht des Arbeitgebers hat eine rückwirkende Kündigung einen gewissen Charme. Kann er doch – wenn das Vorhaben glückt – womöglich nicht nur ausstehende Gehälter einsparen, sondern auch noch Sozialabgaben und womöglich sogar Urlaubs- oder Weihnachtsgeld. Zumal er den Arbeitnehmer mit einer rückwirkenden Kündigung zusätzlich auch psychologisch unter Druck setzen kann.<

Da liegt die Frage nahe: Ist das eigentlich erlaubt?

Grundsätzlich ist eine rückwirkende Kündigung nicht möglich, aber …

… es gibt Ausnahmen, auf die wir noch kommen werden. Doch zunächst einmal muss festgehalten werden, dass eine Kündigung immer eine einseitige Willenserklärung ist. Somit ist sie empfangsbedürftig, Sie als Arbeitnehmer müssen diese also bestätigen bzw. quittieren.

Dazu ein Beispiel:

Arbeitgeber K. überreicht seinem Angestellten – Arbeitnehmer N. – eine Kündigung. Er tut das am 27. Mai. Doch als Datum für die Kündigung findet Arbeitnehmer N. das Datum 27. April. Arbeitgeber K. setzt seinen Arbeitnehmer unter Druck, die Kündigung zu bestätigen, weil das Vertrauensverhältnis ja schon länger gestört sei. Die rückwirkende Kündigung ist also aus der Sicht des Arbeitgebers schlüssig.

An diesem Punkt steckt der Arbeitgeber in einer ernsthaften Klemme. Denn wenn der Arbeitnehmer die Kündigung tatsächlich schon einen Monat zuvor erhalten haben sollte, müsste er die Gabe besitzen, Zeitreisen zu machen. Im Arbeitsrecht ist diese Gabe jedoch nicht vorgesehen.

Wir sehen, dass eine rückwirkende Kündigung sich außerhalb dessen befindet, was logisch nachvollziehbar ist. Entscheidend ist der Moment, an dem die Kündigung dem Arbeitnehmer zugänglich ist.

Womit wir zur ersten Ausnahme kommen.

Die Kündigung „schmort“ im Briefkasten

Nicht jeder hat Lust, täglich in den Briefkasten zu sehen (viele sind der Meinung, dass dort in aller Regel eh nichts Gutes wartet). Manchmal geht das aber auch einfach nicht, weil man zum Beispiel in den Urlaub gefahren ist. Doch was bedeutet das für die Kündigung? Wenn sie rückwirkend nicht möglich ist, wäre die Vermeidung des Gangs zum Briefkasten doch eine schlaue Strategie, oder nicht?

Richtig: oder nicht. Denn zum einen verschicken Arbeitgeber Kündigungen meist per Einschreiben. Und zum anderen gilt als Ausgangslage, wann die Kündigung in den sogenannten „Machtbereich“ des Arbeitnehmers gelangt. Und der Briefkasten gehört eindeutig zu diesem Machtbereich.

Nun könnte man denken, dass es nicht gestattet ist, wenn der Arbeitgeber von den Urlaubsplänen des Arbeitnehmers wusste und die Kündigung ganz bewusst in diesem Zeitraum zustellen lässt. Doch das hilft dem Arbeitnehmer auch nicht, denn er hat dafür Sorge zu tragen, dass sein Briefkasten dennoch geleert wird, beispielsweise von einem Familienmitglied oder Nachbarn.

Rückwirkend fristlos gekündigt – geht das?

Dieser Absatz sei nur der Vollständigkeit halber hier eingeführt. Denn eine fristlose Kündigung rückwirkend auszusprechen, wäre zwar aus Arbeitgebersicht verlockend, faktisch aber kompletter Unsinn.

Denn auch im Falle einer fristlosen Kündigung hat der Arbeitnehmer drei Wochen Zeit, darauf zu reagieren. Der Arbeitgeber müsste also einfach die drei Wochen abwarten, bis er die fristlose Kündigung zustellt, um aus dem Schneider zu sein. Das ist nicht möglich.

Im Übrigen sind fristlose Kündigungen ohnehin nicht so einfach realisierbar, es gibt zahlreiche Hürden, die ihr im Weg stehen

Und wie steht es um eine rückwirkende Kündigung während der Probezeit?

Die normale Kündigungsfrist beträgt in der Regel vier Wochen. Doch in der Probezeit werden häufig kürzere Fristen ausgesprochen, teils nur zwei Wochen.

Doch die verkürzte Kündigungsfrist ändert nichts daran, dass die rückwirkende Kündigung unzulässig ist. Arbeitgeber argumentieren zwar oft, dass sich die Sache bei der Probezeit ganz anders verhält, schließlich sehe man das ja an den verkürzten Kündigungsfristen. Doch diese Argumentation ist schlicht falsch.

Ist die rückwirkende Kündigung bei Krankheit eine Ausnahme?

Bei dieser Frage werden zwei Themen vermengt, die man nicht vermengen kann und soll. Denn eine Kündigung ist durchaus auch während einer Krankheitsphase möglich. Das gilt auch, wenn Sie schon Krankengeld erhalten. Ob und wie Sie dagegen vorgehen können, steht auf einem anderen Blatt und bedarf der individuellen Beratung. Dabei spielt unter Umständen eben auch eine Rolle, wie genau es zu der Kündigung kam, und ob Gründe dagegensprechen, diese während Ihrer Krankheitsphase auszusprechen.

Aber um es zusammenzufassen: Ja, eine Kündigung während einer Krankheit ist generell möglich.

Und zur zweiten Frage: Nein, eine solche Kündigung bildet keine Ausnahme hinsichtlich einer rückwirkenden Kündigung. Auch wenn Sie krankgeschrieben sind, ist die rückwirkende Kündigung nicht rechtens. Die Kündigung wird erst wirksam, wenn Sie Ihnen zugestellt wurde bzw. sich im angesprochenen Machtbereich befindet. Alles andere führt wieder zu der „Zeitreise-Diskussion“.

Gibt es rückwirkende Gehaltserhöhungen bei einer Kündigung?

Das mag jetzt auf den ersten Blick etwas merkwürdig klingen, denn welcher Arbeitgeber spricht schon im Zuge einer Kündigung rückwirkend gleich noch eine Gehaltserhöhung aus? Vermutlich keiner.

Das Thema sollten Sie dennoch nicht unterschätzen, denn es gibt bestimmte Konstellationen, bei denen die Frage einer Gehaltserhöhung eine Rolle spielen kann.

Zum Beispiel, wenn es neben der Kündigung in der Vergangenheit auch Tarifabschlüsse gab, die mehr Gehalt für die Arbeitnehmer zur Folge hatten. Wenn solche Tarifabschlüsse zwar nach der Kündigung erzielt wurden, aber rückwirkend gelten (was ja durchaus häufig vorkommt), sind auch gekündigte Arbeitnehmer davon betroffen.

Es kann also tatsächlich passieren, dass Sie trotz Ihrer Kündigung noch Ansprüche auf Zahlungen durch den Arbeitgeber haben, die sich aus der Differenz des geschlossenen Tarifvertrags ergeben.

Fazit

Ohne hier etwas verallgemeinern zu wollen, kann man doch mutmaßen, dass Arbeitgeber, die rückwirkende Kündigungen aussprechen, nicht unbedingt daran interessiert sind, die Sache gütlich zu regeln.

Immerhin muss jedem Arbeitgeber bekannt sein, dass rückwirkende Kündigungen nicht rechtens und unwirksam sind.

Im Zweifel raten wir Ihnen daher, in einem solchen Fall einen Anwalt zu Rate zu ziehen. Die Chancen, diesen Konflikt als Sieger zu verlassen, stehen in aller Regel recht gut.