Hartz-IV trotz Job: Die wichtigsten Fakten

Nicht erst seit Corona stellt sich für immer mehr Arbeitnehmer die Frage, wie sie finanziell über die Runden kommen sollen. Der Umbau des Arbeitsmarktes, der mit der Einführung der Agenda 2010 begann, wirkt sich nach wie vor auf die Situation von Arbeitnehmern aus. Und mit dem Beginn der Corona-Krise und der Notwendigkeit von Kurzarbeit in zahlreichen Branchen wird die Zahl der Arbeitnehmer steigen, die „aufstocken“, also Hartz-IV beantragen müssen.

Inhalt:

Grundsätzliches zum Arbeitslosengeld II

Weiter unten im Text folgen einige Fragen, die häufig gestellt werden. Hier soll es aber zunächst um die Konstruktion des Arbeitslosengeldes II, kurz: ALG II (üblicherweise Hartz-IV genannt) gehen.

Es gibt die relativ weit verbreitete Ansicht, Arbeitslosengeld II (im Folgenden der Einfachheit halber auch Hartz-IV genannt) wäre nur für Arbeitslose ein Thema. Das stimmt so aber nicht. Hartz-IV kann jeder beantragen, der die Voraussetzungen dafür erfüllt. Die sogenannte „Hartz-IV-Aufstockung“ erhalten Arbeitnehmer, deren Einkommen unter der „Bedarfsgrenze der Bedarfsgemeinschaft“ liegt.

Ob man selbst zu diesem Personenkreis gehört, hängt also von den monatlichen Einnahmen ab, für deren Berechnung folgende Posten gezählt werden:

  • Lohn bzw. Gehalt
  • Arbeitslosengeld
  • Unterhalt
  • Gewinne, die mit einer selbstständigen Tätigkeit erzielt werden
  • Elterngeld
  • Einnahmen, die durch Minijobs entstehen
  • Erwerbsunfähigkeitsrente (EU), unter Voraussetzung befristeter und teilweiser EU

Voraussetzungen für die Möglichkeit der Aufstockung

Ein immer noch verbreiteter Glaube ist die Annahme, dass man keine Aufstockung beantragen kann, wenn man eine Vollzeitstelle hat. Doch das ist so nicht richtig. Ausschlaggebend ist nicht die Anzahl der Arbeitsstunden pro Woche bzw. Monat, sondern die Frage, ob die Einkünfte ausreichen, um den Lebensunterhalt zu bestreiten.

Wenn also der Lebensunterhalt bzw. der der Bedarfsgemeinschaft nicht angemessen, also nicht ausreichend ist, kann zusätzlich zum Einkommen Hartz-IV (ALG II) beantragt werden.

Man muss an dieser Stelle darauf hinweisen, dass hier oft eine Verwechslung mit Arbeitslosengeld I (ALG I) vorliegt. Bei diesem verhält es sich tatsächlich so, dass ab einer wöchentlichen Arbeitszeit von mehr als 15 Stunden nicht mehr von Arbeitslosigkeit gesprochen wird, der Anspruch auf ALG I also wegfällt.

Wer keinen Anspruch auf Hartz-IV hat

Vom Anspruch auf ALG II ausgeschlossen sind folgende Personengruppen:

  • Empfänger von BAföG
  • Empfänger von Berufsausbildungsbeihilfe
  • Empfänger von Altersrenten
  • Empfänger von unbefristeter Erwerbsunfähigkeitsrente bei voller EU-Rente

Dazu muss aber gesagt werden, dass diese Liste nicht bedeutet, automatisch von der Möglichkeit, Hartz-IV zu beantragen, ausgeschlossen zu sein. Im Einzelfall gibt es trotz dieser Einschränkung die Option, ALG II zu beantragen.

Um sicher zu sein, Ansprüche zu haben oder nicht zu haben, hilft eine Beratung, etwa bei einem Rechtsanwalt oder einer Beratungsstelle.

Aussagen zum Mindesteinkommen

Um zu wissen, ob man Hartz-4-Leistungen beantragen kann, muss man das Mindesteinkommen kennen. Dieses wird jedes Jahr neu vom Bundestag errechnet. Derzeit liegt es bei folgenden jährlichen Grenzen (Stand: 2020):

  • 408 Euro für Alleinstehende
  • 540 Euro für Paare
  • 004 Euro pro Kind

Gemeint ist jeweils das steuerfreie Mindesteinkommen. Nun mag man einwenden, dass bei einer Vollzeitstelle diese Untergrenze nicht erreicht wird. Doch die Fakten und die Lage am Arbeitsmarkt sprechen eine andere Sprache.

Aufstockung bei der Bewältigung der Fixkosten

Hartz-4-Leistungen sind nicht nur finanzielle Hilfen, sondern auch Unterstützung bei der Bestreitung von Fixkosten. Denkbar sind hier Zuschüsse bei der Miete, den Heizkosten, aber auch Befreiungen zum Beispiel der GEZ-Gebühr. In Einzelfällen werden auch Sozialabgaben, die ursprünglich vom Lohn abgezogen wurden, erstattet werden. Leben Kinder im Haushalt, kann Hilfe für Schulausflüge und Sonderausgaben beantragt werden.

Die traurige Wahrheit ist: Für viele Menschen „lohnt“ es sich, mit Hartz-4 aufzustocken. Das liegt unter anderem daran, dass die Löhne schon seit Langem langsamer steigen als die Lebenshaltungskosten. Die Gefahr, zu einem Anspruchsberechtigten zu werden, ist also für eine relativ große Gruppe von Berufstätigen recht hoch.

Viele Menschen scheuen sich dennoch, Leistungen nach Hartz-4 zu beantragen, selbst wenn sie das Recht auf diese Leistungen haben. Der Grund ist teils Angst, stigmatisiert zu werden, aber auch Stolz und der daraus resultierende Anspruch an sich, keine staatliche Hilfe erhalten zu wollen.

Wer aber mit seinem Lohn bzw. Einkommen durch die Steigerung der Lebenshaltungskosten nicht mehr „hinterherkommt“, hat ein verbrieftes Recht auf Hartz-4-Leistungen. Aus Stolz oder Angst in die Armut zu rutschen, ist keine wirklich gute Alternative.

Aufstocken auch im Falle von Kurzarbeit möglich?

In unserem Artikel über das Kurzarbeitergeld haben wir ausführlich über deren Voraussetzungen berichtet. Seit dem Ausbruch der Corona-Krise hat sich das Thema Kurzarbeit aber noch einmal zusätzlich in der Interessenlage nach oben geschoben. Immerhin betrifft es in der Krise deutlich mehr Menschen als zuvor.

Da mit Kurzarbeit auch Gehaltseinbußen einhergehen, steht die Frage im Raum, ob die Beantragung von Hartz-4 hier möglich ist. Wenn die Einbußen den genannten Grenzen entsprechen, geht das tatsächlich. Zuvor empfiehlt es sich jedoch, auf Leistungen wie zum Beispiel das Wohngeld zu setzen. Bleibt am Ende aber doch nur ALG II, ist der Erhalt von Leistungen möglich.

Beim Antrag auf Hartz-4 findet normalerweise eine umfassende Vermögensprüfung statt. Vom 1. März 2020 an galt aber – bei Anträgen, die bis zum 30. Juni 2020 gestellt werden – der Verzicht auf diese Vermögensprüfung. Es ist zu empfehlen, sich daher regelmäßig über mögliche neue Bestimmungen zu informieren.

Häufig gestellte Fragen zu ALG II

Eines lässt sich schon im Vorfeld sagen: Wer Hartz-4-Leistungen beantragen will bzw. muss, kann mit seinem Sachbearbeiter Glück haben, dann geht es ziemlich schnell, bis die ersten Leistungen ausgezahlt werden. Doch nicht jeder Sachbearbeiter ist so entgegenkommend, der Antrag kann also auch zu einem Spießrutenlauf werden.

Einige der oft gestellten Fragen beantworten wir in aller Kürze an dieser Stelle.

  • Wie viel ALG II bekomme ich?

Das hängt von den Lebensumständen ab. Leben Sie allein oder mit Partner/in, oder haben Sie Kinder, erfolgt die Berechnung entsprechend (siehe dazu auch oben die Mindesteinkommensgrenzen).

  • Wann wird ALG II ausgezahlt?

Wenn der Antrag positiv beschieden wurde, erhalten Sie das bewilligte Geld immer am Ende des Vormonats für den folgenden Monat.

  • Werden auch die Mietkosten für meine Wohnung übernommen?

Das Jobcenter übernimmt die Kosten der Wohnung, wenn die Bewilligung zwischen dem 1. März 2020 und dem 31. Dezember 2020 ausgesprochen wird (Corona-Maßnahme). Für Wohnung und Heizung werden – bei Vorliegen des Bedarfs – sechs Monate lang die Kosten übernommen.

  • Kann ich auch Hilfe erwarten, wenn ich nicht zur Miete wohne, sondern ein eigenes Haus habe?

Auch wenn Sie ein eigenes Haus haben, können Sie mit Unterstützung durch das Jobcenter rechnen. Übernommen werden bei Bedarf die Kosten für die Unterkunft, die Heizung und die Nebenkosten.

  • Muss ich vor der Auszahlung von Geld erst mein Vermögen aufbrauchen?

Nein, zumindest dann nicht, wenn es den Bewilligungszeitraum zwischen dem 1. März 2020 und dem 31. Dezember 2020 betrifft. Allerdings müssen Sie in diesem Fall im Antrag versichern, dass Sie über kein verwertbares Vermögen verfügen. Klingt Ihre Angabe plausibel (was auch vom Sachbearbeiter abhängen kann, der für die Bearbeitung zuständig ist), wird sie ohne weitere Prüfung akzeptiert.

  • Was ist eigentlich verwertbares Vermögen?

Zum verwertbaren Vermögen gehören neben Bargeld auch Tagesgelder, Sparguthaben, Wertpapierdepots und Wertpapiersparpläne. Dieses wird in die Beantragung von Hartz-4-Leistungen einbezogen, wenn das erste Mitglied der Bedarfsgemeinschaft mehr als 60.000 Euro besitzt, für jedes weitere Mitglied gilt die Grenze von 30.000 Euro.

  • Bekomme ich auch Hilfe bei meiner privaten Krankenversicherung?

Ja, hier zahlt das Jobcenter einen Zuschuss in Höhe von 367,97 Euro (Stand: 2020). Damit wird der Zuschuss jedoch auf die Hälfte des monatlichen Basistarifs begrenzt. Sollte Ihr Tarif ein anderer, teurerer sein, gibt es die Möglichkeit, Hilfe bei dem Wechsel in den Basistarif zu erhalten. Für Anträge, die nach dem 15. März 2020 gestellt wurden, gilt die Option, bis zu zwei Jahre lang wieder in den alten Tarif zurückzukehren, und zwar ohne erneute Gesundheitsprüfung. Dauert der Bezug von ALG II länger als zwei Jahre, steht eine Gesundheitsprüfung an, wenn Sie wieder in Ihren alten Tarif wechseln wollen.

Keine Angst vorm Jobcenter

Man kann sich vortrefflich darüber streiten, ob der Stolz, der dazu führt, nicht zum Jobcenter zu gehen, angebracht ist. Letztlich ist das eine Frage der persönlichen Überzeugungen.

In jedem Fall ist eine grundlegende Angst vor dem Behördengang aber nachvollziehbar. Dennoch sollte man immer im Hinterkopf behalten, dass der Antrag auf Hartz-4 ein ganz normaler und legitimer Vorgang ist. Wenn das Auskommen aufgrund von Kurzarbeit oder zu niedrigem Lohn nicht sichergestellt ist, ist es Ihr gutes Recht, Anträge auf Unterstützung zu stellen.

Sie tun also nichts Verwerfliches, sondern nehmen ihr verbrieftes Recht in Anspruch.